Lebendige QS-Systeme – wie soll das gehen?

In den meisten Pharma-Unternehmen erweisen sich die QS-Prozesse und Systeme als nicht oder nur teilweise geeignet, die ständig steigenden Anforderungen des aktuellen regulatorischen Umfelds zu erfüllen.

In vielen „alten“ Pharma-Unternehmen sind die QS-Prozesse und -Systeme historisch gewachsen. Die Ursprünge mögen sich früher bewährt haben. Mit steigenden regulatorischen Anforderungen wurden sie kontinuierlich durch Hinzufügen immer neuer Regelungen erweitert und vertieft. Heute sind die Prozesse und Systeme zu einer Belastung und einem starren Korsett geworden.

Dann gibt es eine zunehmende Anzahl „junger“ Unternehmen, die von der F&E-Phase in die kommerzielle Phase übergehen oder bereits übergegangen sind. Solche Firmen haben oft QS-Prozesse und -Systeme, die sich in der frühen Phase des Unternehmens als sinnvoll erwiesen haben. Diese sind heute aber nicht mehr angemessen, weil
• für kommerzielle Produktion zusätzliche Regeln gelten
• das Unternehmen stark gewachsen ist

In einem früheren Blog-Beitrag Pharma Prozessoptimierung hatte ich erklärt, wie man technisch vorgehen sollte, um QS-Prozesse zu verschlanken und zu verbessern.

Heute möchte ich auf weitere Aspekte eingehen, die lebendige QS-Prozesse und -Systeme unterstützen.

Wer ist verantwortlich für Qualität?

Eigentlich sollte es heutzutage Standard sein, dass alle Bereiche eines Unternehmens sich verantwortlich für die Qualität von Prozessen, Systemen und Produkten verantwortlich fühlen – und entsprechend handeln!

Nach meiner Erfahrung wird immer noch in zu vielen Unternehmen Qualität am Ende des Herstellprozesses von der Qualitätseinheit in das Produkt reingeprüft und bewertet. Das ist eigentlich ein Konzept, dass aus den frühen 1900er Jahren stammt und von Taylor und Radford entwickelt wurde.

Qualität sollte heute von vorneherein durch entsprechendes Design von Prozessen und Systemen in das Produkt eingebaut werden. Dies spiegelt sich in den entsprechenden Quality Guidelines der ICH wieder, aber natürlich auch in den Anforderungen z.B. der Europäischen Behörden, der FDA und anderen nationalen Behörden.

Wie können alle Bereiche ihrer Verantwortung gerecht werden?

Zunächst muss es als Ziel kommuniziert werden, dass alle Bereiche eines Unternehmens verantwortlich für die Qualität von Prozessen, Systemen und Produkten sind – und sich entsprechend zu verhalten haben!

Das sollte eigentlich nicht schwerfallen, da es genug Argumente dafür gibt …

  • robuste Prozesse und Systeme
  • effiziente Prozesse und Systeme
  • eine gleichbleibend gute Produktqualität
  • eine sichere Marktversorgung mit dem Produkt
  • eine signifikante Kostenersparnis durch Kostenoptimierung (s.a. Blog Qualitätskosten und Qualitätskosten optimieren)

Dann müssen die Mitarbeiter entsprechend trainiert werden, damit Sie neben den regulatorischen Anforderungen auch

  • Risiken frühzeitig erkennen können
  • Schwachstellen in Prozessen und Systemen kontinuierlich melden
  • Fehler sofort melden und gut dokumentieren
  • Untersuchungen von Schwachstellen, Fehlern und Mängeln aktiv unterstützen

Dazu müssen die Mitarbeiter die genannten Punkte ohne Angst vor negativen persönlichen Konsequenzen kommunizieren können. Hier sind Vorgesetzte gefragt, die nicht die Suche nach Schuldigen betreiben, sondern die Suche nach den Ursachen für Fehler und Schwachpunkte (s. Blog Fehlerkultur).

Und schließlich müssen die Vorgesetzten konsequent qualitätsorientiertes Verhalten einfordern und dürfen nicht (mehr) zugunsten von „ungestörter“ Produktion Druck auf Mitarbeiter ausüben.

Bewerten und Nachbessern von Fehlern kosten mehr Zeit und Ressourcen, als das Vermeiden oder das direkte Beheben eines Fehlers und die Beseitigung seiner Ursache.

Und die Qualitätssicherung?

Da alle Bereiche verantwortlich für die Qualität von Prozessen, Systemen und den Produkten sind, muss natürlich auch die Qualitätssicherung frühzeitig in die Abläufe eingebunden werden und nicht erst als (letzte) Kontrollinstanz am Ende.

Das beinhaltet z.B. auch die Anwesenheit von QS-Mitarbeitern in den verschiedenen Unternehmens-Bereichen. Dadurch verstehen die QS-Mitarbeiter besser die Situation und die Abläufe in den verschiedenen Bereichen und sind schneller und direkter erreichbar bei Fragen und Problemen.

Diese Einbindung darf aber nicht als Einmischung verstanden werden. Die QS muss hier als wichtiger Ratgeber verstanden und gehört werden und nicht primär als „Qualitäts-Sherrif“, der die Mitarbeiter kritisch kontrolliert.

Dazu müssen QS-Mitarbeiter natürlich entsprechend geschult werden. Sie benötigen neben der fachlichen Kompetenz auch kommunikations und soziale Kompetenzen.

Akzeptanz für lebendige QS-Prozesse und -Systeme schaffen

Weiterhin müssen die QS-Prozesse und -Systeme von allen Beteiligten effektiv und effizient gestaltet werden. Dazu sollten sich die Beteiligten zusammensetzen und die Prozesse und Systeme überprüfen und entsprechend anpassen.

Das führt zu einem klaren Verständnis der Rahmenbedingungen sowie der Notwendigkeiten bei allen Beteiligten und zu einer guten Akzeptanz.

Fazit

Es ist eine lohnende Herausforderung, die QS-Prozesse und -Systeme so zu gestalten, dass sie

  • akzeptiert und gelebt werden
  • sich weiter entwickeln entsprechend den sich ändernden Anforderungen des (regulatorischen) Umfelds

Dies erfordert nicht nur die „technische“ Optimierung von Prozessen und Systemen durch Automatisierung und Digitalisierung, sondern auch

  • die Kommunikation der Qualitätsziele
  • das entsprechende Training von Mitarbeitern und Vorgesetzten
  • die konsequente Änderung des Verhaltens aller Beteiligter

Nur dann werden Pharma-Unternehmen auf Dauer profitabel und überlebensfähig sein.