PQR – lästige Pflicht oder Goldgrube

In Teil 1 des EU GMP Leitfadens wird in Kapitel 1 „Pharmaceutical Quality System“ in Abschnitt 1.10 ein regelmäßiger „Product Quality Review“ (PQR) für alle zugelassenen Arzneimittel gefordert.

Ziel der Überprüfung und Bewertung soll sein

  • die Beständigkeit des aktuellen Prozesses
  • die Geeignetheit der Spezifikationen für die Ausgangsmaterialien
  • die Geeignetheit der Spezifikationen für das Fertigprodukt

zu verifizieren, um

  • Trends hervorzuheben
    Verbesserungsmöglichkeiten für Produkte
  • Verbesserungsmöglichkeiten für Abläufe

zu identifizieren.

Eine solche Überprüfung und Bewertung soll jährlich durchgeführt und dokumentiert werden. In einer PQR-SOP sollte deshalb festgelegt werden

  • Für welchen Zeitraum für jedes Produkt der PQR erstellt werden soll (Kalender-Jahr oder „Geburtstag“ der Zulassung)
  • In welcher Frequenz der PQR erstellt werden soll für Produkte, von denen nur wenige Chargen pro Jahr gefertigt werden
  • Bis wann ein PQR nach Ende des Berichtszeitraums erstellt, geprüft und genehmigt sein muss.

Nur Jahresbericht oder mehr?

Ein erster Fallstrick ist, dass häufig nur der letzte PQR-Zeitraum betrachtet wird, also in der Regel das letzte Jahr. Dabei zeigt die Erfahrung, dass gerade das Einbeziehen von Ergebnissen aus den vorherigen Berichtsperioden wichtig ist, um Trends festzustellen.

Oftmals lassen sich Effekte in einem Berichtszeitraum von z.B. einem Jahr nur sehr schwer identifizieren. Betrachtet man aber die Entwicklung einzelner Themenpunkte bzw. Parameter über mehrere Berichtszeiträume, zeigen sich immer wieder klar erkennbare Trends.

In der Guideline werden 12 Themenpunkte festgelegt, deren Überprüfung und Bewertung der PQR mindestens abdecken soll.

Ich möchte hier nicht auf alle Punkte im Detail eingehen, sondern am Beispiel einzelner Punkte auf ein paar wesentliche Vorgehensweisen hinweisen.

Überprüfen kritischer In-Prozess Kontrollen und der Ergebnisse von Prüfungen am Fertigprodukt

Hier müssen nicht alle möglichen In-Prozess-Kontrollen aufgelistet und hinsichtlich Trends bewertet werden. Der Fokus sollte auf den kritischen Prozess Parametern (CPPs) liegen.

Das gleiche gilt auch für die Prüfungen am Fertigprodukt. Hier stehen die Kritischen Qualitätsattribute (CQA) im Fokus.

Die Bewertung darf sich dann nicht darin erschöpfen, dass die kritischen Parameter innerhalb der vorgesehenen Prozess- und Produktspezifikationen waren.

Folgende Punkte sollten ebenfalls abgedeckt werden:

  • die Lage einzelner Prozess- und Produktparameter innerhalb der Spezifikation
  • die Streuung einzelner Prozess- und Produktparameter innerhalb der Spezifikation
  • Trends bei einzelnen Prozess- und Produktparametern

Wie im vorigen Abschnitt erwähnt, ist hier der Vergleich zu früheren Berichtsperioden wichtig und sinnvoll.

Auch kann es hier sinnvoll sein, je nach identifiziertem Trend eine Anpassung zumindest interner Spezifikationen (z.B. Warnlimits) vorzunehmen (s.a. Blogpost Spezifikationen).

Eine Überprüfung aller Chargen, die nicht der festgelegten Spezifikation entsprachen und den zugehörenden Untersuchungen

Auch hier werden häufig nur die Chargen, die von OOS betroffen waren, gelistet und ein Kommentar, dass die Untersuchungen entsprechend den Erfordernissen (s. OOS-SOP) abgeschlossen wurden und welche betroffenen Chargen dann ggf. abgelehnt wurden.

Empfehlenswert ist, hier auch zu bewerten,

  • wie häufig initiale OOS gefunden wurden
  • wie häufig OOS dann invalidiert wurden
  • wie häufig OOS bestätigt wurden
  • wie häufig OOS nicht bestätigt wurden

Die Häufigkeit bzw. Raten der jeweils aufgeführten Punkte lassen auch eine Aussage über die Qualität des entsprechenden Tests zu. Zudem werden diese Punkte z.T. von der FDA als Quality Metrics betrachtet.

Hinsichtlich der identifizierten (wahrscheinlichsten) Ursachen soll auch eine Bewertung erfolgen, um hier mögliche Schwerpunkte zu identifizieren.

Wie oben erwähnt, ist auch hier der Vergleich zu früheren Berichtsperioden wichtig und sinnvoll.

Fazit

Die oben aufgeführten Beispiele zeigen, dass der PQR nicht nur als lästiger Pflichtbericht betrachtet werden sollte, sondern die Daten und deren Bewertung auch über mehrere PQR Perioden wertvolle Informationen zu den eigenen Prozessen und Produkten liefern können.

Wird der PQR auch über mehrere Berichtszeiträume betrachtet, stellt er eine wahre Goldgrube

  • für die Identifizierung von Ansatzpunkten zur Verbesserung von Prozessen (z.B. Verringerung der Variabilität bestimmter Parameter)
  • zur Sicherung der Produktqualität

dar.

Die Verlockung ist natürlich groß, gerade auch bei der zunehmenden Digitalisierung von Prozessen und Daten, alles Mögliche zu listen und mathematisch zu analysieren. Dieser Verlockung sollte man widerstehen und sich konsequente auf die kritischen Parameter (CPP und CQA) fokussieren.