Pharma Prozesse Optimieren

Viele Prozesse und Systeme im Bereich Qualitätssicherung sind historisch in den Pharma-Unternehmen gewachsen. Eine systematische aktive Pflege und Weiterentwicklung dieser Systeme finden nicht oder nur rudimentär statt. Vielfach wird nur auf Beanstandungen aus Inspektionen durch Behörden oder Auftraggeber reagiert. In hektischem Aktionismus wird der beanstandete Mangel punktuell behoben. Manchmal wird noch geschaut, ob ein systemischer Mangel vorliegt, der auch an anderer Stelle auftreten kann.

In der Folge werden dann die Prozesse bzw. Systeme, meist auch die entsprechende Dokumentation etwas ergänzt. Zusätzliche Kontrollschritte unter Einbindung der Qualitätssicherung sollen dann mehr Sicherheit in die Prozesse und Systeme bringen. In der Folge werden Prozesse und Systeme unnötig zeitaufwendig, kompliziert und bürokratisiert. Die Mitarbeiter fühlen sich zunehmend kontrolliert und werden demotiviert. Außerdem erhöht diese Vorgehensweise die Kosten ohne einen entsprechenden wertschöpfenden Nutzen. Letztendlich führt dies zu unzureichender Akzeptanz und nicht zu wirklich substanzieller Verbesserung von GMP-Standards.

Im Gegensatz dazu bietet eine fortlaufende und systematische Optimierung von Prozessen und Systemen wichtige Vorteile:

  • Die Qualität der Prozesse und hergestellten Produkte verbessern sich
  • Die Effizienz der Prozesse und Systeme verbessern sich
  • Das Kosten/Nutzen-Verhältnis der Prozesse und Systeme verbessert sich
  • Die Kosten durch Non-Compliance und Nicht-Qualität (Abweichungen/Reklamationen) verringern sich

Wie soll man nun am besten bei der Prozessoptimierung vorgehen? Hier empfehle ich eine Vorgehensweise, die sich ableitet von einer Vorgehensweise, die in dem Buch „Die 4-Stunden-Woche“ von Tim Ferris in einem anderen Zusammenhang erklärt wird.

Die Prozessoptimierung erfolgt in 4 Schritten

  1. Definieren der Prozesse
  2. Eliminieren unnötiger Prozessschritte
  3. Automatisieren sich wiederholender Prozessschritte
  4. Nutzen der gewonnenen Ressourcen zur Weiterentwicklung

Schauen wir uns die einzelnen Schritte genauer an.

Definieren der Prozesse

Zunächst wird der jeweilige QS-Prozess (z.B. Change Control, Abweichungsmanagement, Dokumentenmanagement, …) mit seinen wesentlichen und unbedingt notwendigen Teil-Schritten aufgestellt. Dazu müssen die Anforderungen an den jeweiligen Teilschritt beachtet bzw. festgelegt werden (z.B. Behördenanforderungen, Verantwortliche, Prozessbeteiligte, notwendige Dokumentation, …). Dieser erste Schritt wird losgelöst von dem aktuell gelebten Prozess durchgeführt. Es ist wesentlich für den Erfolg, dass hierbei alle gegenwärtig Prozess-Beteiligten in diesem Schritt einbezogen werden (s. dazu meine Veröffentlichung, Neumann, J. 2012, Optimierung von Qualitätssicherungssystemen, Pharm. Ind. 74, Nr. 4, 540-546).

Besonderes Augenmerk ist dabei auch auf die Dokumentation im Zusammenhang mit dem jeweiligen Teilschritt des QS-Prozesses zu richten. Wie entstehen die notwendigen Dokumente bzw. die Informationen (Daten) darin, wie sind die Lebenszyklen der Dokumente bzw. der jeweiligen Informationen.

Eliminieren unnötiger Prozessschritte

Im nächsten Schritt wird kritisch geschaut, welche Schritte der derzeitige QS-Prozess enthält, die für den neuen QS-Prozess nicht notwendig sind. Beim Eliminieren unnötiger Prozessschritte muss unbedingt berücksichtigt werden, dass alle wesentlichen, also regulatorischen Anforderungen an den zu eliminierenden Prozessschritt in anderen Prozessschritten abgedeckt sind.

Ebenso soll hier nochmal jeder Teilschritt des neuen Prozesses kritisch daraufhin betrachtet werden, ob er wertschöpfend ist oder zumindest Wertschöpfung ermöglicht.

Automatisieren

In diesem Schritt werden nun die Teilschritte des betrachteten QS-Prozesses identifiziert, die aus sich wiederholenden Tätigkeiten bestehen. Diese Teilschritte werden dann konsequent automatisiert. Dies geht mit der Digitalisierung des entsprechenden Prozessschritts einher. Dabei ist über das Datenmanagement die Gewährleistung der Datenintegrität zu gewährleisten.

Hier sollen IT-Systeme zum Einsatz kommen, die in der Lage sind, den Prozess und die als notwendig identifizierten Teilschritte korrekt abzubilden. Diese Systeme sollten so aufgesetzt sein bzw. ausgewählt werden, dass Schlüsselkennzahlen und Datenanalysen zu einzelnen Prozessschritten unkompliziert erhoben werden können und entsprechende Berichte generiert werden können. Weiterhin sollen die IT-Systeme einfache und sichere Schnittstellen haben, die den Austausch relevanter Informationen mit anderen IT-Systemen innerhalb des Unternehmens und ggf. auch mit IT-System von Kunden erlauben.

Nutzen der gewonnenen Ressourcen zur Weiterentwicklung

Durch die Effizienzsteigerung aus den vorherigen Schritten erhöhen Sie die cGMP-Compliance und gewinnen sie wichtige Ressourcen. Diese Ressourcen sollen sie einsetzen, um die Gesamtperformance des Prozesses und seiner Teilschritte zu überwachen und an geänderte Rahmenbedingungen anzupassen. Dies soll durch Bewertung von KPIs im Rahmen des Management Review stattfinden.

Des Weiteren können Sie diese Ressourcen nutzen um weitere Prozesse zu optimieren und somit die Wettbewerbsfähigkeit ihres Unternehmens insgesamt zu verbessern.

Dies betrifft Mitarbeiter und Führungskräfte aller Ebenen, die bisher Zeit für unproduktive Schritte aufgewendet haben. Diese Menschen, meist mit großer erworbener Prozesserfahrung, können durch entsprechende Schulung zukünftig produktiv sinnvolle Aufgaben übernehmen und ihr Knowhow wertschöpfend für das Unternehmen einsetzen.

Abschließend möchte ich daran erinnern, dass cGMP-Compliance kein Zustand ist, sondern ein stetiger Prozess. Dabei werden die Prozesse im Unternehmen kontinuierlich verbessert und an die sich ständig verändernden Rahmenbedingungen (regulatorisches Umfeld, Marktumfeld, Gesundheitssystem) angepasst.