Dokumentation – muss denn alles beschrieben werden?

Viele Menschen, die ich kennengelernt habe, auch im GxP-Umfeld, schauen mit großen Vergnügen Krimis. Besonders beliebt sind Serien wie CSI (Crime Scene Investigation). Wie realitätsnah diese Serien sind, lassen wir mal offen.

Die Zuschauer finden es spannend, wie bewundernswert akribisch der Ort des Geschehens unter die Lupe genommen wird, Tatumstände untersucht werden und letztendlich Täter und Motiv ermittelt werden.

Wenn es dann aber um ein Geschehen im GxP-Umfeld geht, schwindet die Begeisterung für akribische Ursachenuntersuchung und deren Beschreibung sehr schnell.

Zugegeben, Abweichungen im GxP-Alltag, Mängel bei Qualifizierungen sind keine Kapitalverbrechen, es fließt in den seltensten Fällen Blut aber die Auswirkungen auf die Produktqualität können im Extremfall auch gravierend sein.

Viele Abweichungs- bzw. Untersuchungsberichte beschreiben kaum nachvollziehbar

  • Wann die Abweichung entdeckt wurde
  • Von wem die Abweichung entdeckt wurde
  • Wann die Abweichung aufgetreten ist
  • Worin genau die Abweichung bestand
  • Woran genau die Abweichung erkannt wurde
  • Was als Sofortmaßnahme gemacht wurde (Achtung: mögliche Veränderung des „Tatorts“ vor späteren Untersuchungen)
  • Wer direkt oder indirekt beteiligt war
  • Wer die Untersuchung durchgeführt hat
  • Wann die Untersuchung durchgeführt wurde
  • Was bei der Untersuchung betrachtet wurde
  • Wie bei der Untersuchung die (wahrscheinlichste) Ursache ermittelt wurde
  • Was als die (wahrscheinlichste) Ursache ermittelt wurde
  • Was letztlich (vermutlich) genau passiert ist
  • Welcher Einfluss auf die Produkt-/Chargenqualität zu erwarten ist
  • Welche anderen Produkte/Chargen (möglicherweise) auch betroffen sein können

Anschließend müssen dann natürlich auch entsprechende CAPA festgelegt und umgesetzt werden. Auch dies ist genau zu dokumentieren.

Die Anforderungen an klare und detaillierte Dokumentation gelten natürlich auch für andere Vorgänge, z.B.:

Warum dokumentieren

Zunächst einmal gibt es eine ganz formale Anforderung: Im GxP-Umfeld ist nur das geschehen, was dokumentiert wurde. Wenn es nicht klar und ausführlich dokumentiert wurde, hat es nicht stattgefunden.

Weitere gute Gründe für eine detaillierte und klare Dokumentation sind z.B.:

  • Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen und Bewertungen
  • Wissens-Transfer zwischen Mitarbeitern und Bereichen
  • Kontinuierliche Verbesserung

Für wen dokumentieren

Aus dem „Warum“ ergibt sich zwangsläufig das „Für Wen“. Für folgende Personenkreise ist eine korrekte Dokumentation von wesentlicher Bedeutung:

  • Inspektoren von Behörden
  • Auditoren (intern und extern)
  • Zulassungsbehörden

Eine gute Dokumentation ist aber auch für interne Mitarbeiter unabdingbar, die folgende Themen bearbeiten müssen, z.B.:

  • wiederholte Abweichungen
  • ähnliche Abweichungen
  • Reklamationen
  • Nebenwirkungsmeldungen
  • PQRs
  • Produktfreigaben (QPs)
  • CAPA-Festlegung

Was dokumentieren

Alle Fakten sind vollständig und wahrheitsgemäß zu dokumentieren (s. Bsp. oben). Bei der Tatsachen-Beschreibung dürfen keine Spekulationen aufgeführt werden.

Bei der Untersuchung ist klar erkennbar zu dokumentieren, was

  • zunächst als Hypothese angenommen wurde
  • wie diese Hypothese bestätigt oder widerlegt wurde

Bei der Bewertung (z.B. Einfluss auf die Produkt-/Prozessqualität) ist klar zu dokumentieren

  • Welche Punkte zur Bewertung herangezogen wurde
  • Wie diese Punkte in die Bewertung eingeflossen sind
  • Welche Gesamt-Bewertung sich daraus ergeben hat

Wie erreichen wir das?

Leider beschränkt sich nach meiner Erfahrung die Schulung in guter Dokumentationspraxis in vielen Fällen auf formale Kriterien, z.B.

  • ALCOA+ Regeln
  • GMP-gerechte Korrekturen
  • Entwertung von nichtgenutzten Leerfeldern
  • Paginierung von Hauptdokument und Anhängen
  • Auflistung von Anhängen
  • Abzeichnen von aufgeklebten Ausdrucken, Etiketten u.ä.
  • ….

Selten umfasst eine Dokumentationsschulung auch inhaltliche Punkte. Gerade hier muss aber viel stärker geschult werden. Denn was nützt eine formal richtige Dokumentation, wenn der Inhalt unzureichend ist.

Natürlich muss nicht gleich ein Kurs in „Storytelling“ durchgeführt werden. Die Spielregeln für eine gute inhaltliche Darstellung eines Themas sollten aber fester Bestandteil von GMP-Dokumentations-Schulungen sein.

Damit eine wirklich gute Dokumentation erreicht wird, ist vor Genehmigung der Dokumente selbstverständlich ein unabhängiger, kritischer und sorgfältiger Review von Inhalt und Form notwendig (s. Blog Review )

Fazit

Gute Dokumentation im GMP-Umfeld umfasst Form und Inhalt. Beides muss geschult und konsequent eingefordert werden.