cGMP: Compliance oder Qualität?

In einem vorherigen Beitrag habe ich das Thema Qualität und die damit verbundenen Kosten betrachtet (s. Blog Qualitätskosten)

Heute möchte ich aus einem anderen Blickwinkel auf das Thema Qualität und cGMP schauen.

Was ist Qualität?

In der ICH Guideline Q6A wird folgende Definition verwendet, auf die auch in den Guidelines ICH Q9 und ICH Q10 verwiesen wird:

„Suitability of either a drug substance or a drug product for its intended use. This includes such attributes as the identity, strength, and purity. “

Eine Übersicht mit anderen Definitionen finden sich bei Friedli (21c Quality Management, 2018, S. 95, https://www.ecv.de/suse_item.php?suseId=P|C|5199&susePattern=Friedli%2021c)

Ein Teil dieser Qualitätsdefinitionen bezieht sich auf Werte, Einhalten von Spezifikationen und Anforderungen. Hier steht die Compliance im Vordergrund.

Andere dieser Definitionen legen den Fokus auf Aspekte wie „Fitness for Use“, Vermeidung von Verlusten und Ausschuss, das Erfüllen oder Übertreffen von Kundenerwartungen.

Qualität umfassend betrachtet

In der oben aufgeführten Quelle sind noch weitergehende Definitionen aufgeführt:

“Quality as excellence: Quality means investment of the best skill and effort possible to produce the finest and most admirable result possible. Achieving or reaching for the highest standard as against being satisfied with the sloppy or fraudulent: quality does not allow compromise with the second rate.”

Das ist sicher ein hoher Anspruch. Aber klar ist damit auch, Qualität im Geist von cGMP ist mehr als nur Einhalten von Spezifikationen und Anforderungen.

Was erwarten Behörden

Die Anforderungen und Erwartungen der Behörden, z.B. der FDA, sind klar definiert, z.B. für die USA im CFR 21, 210 & 211, Chapter 5 of FD&C Act, und in den EU GMP Richtlinien, z.B. sinngemäß zitiert:

… requires the methods, facilities, and controls used in the manufacture, processing, packing and holding of a drug product to conform to current good manufacturing practice in order to assure that the drug meets the safety requirements of the Act and that the drug has the identity, strength, quality, and purity which it purports to possess.

Auch diese Definition zeigt klar, dass Qualität mehr als nur den Compliance-Aspekt hat: zum einen die Qualität des Produkts innerhalb der zugelassenen Spezifikation, zum anderen die Qualität der Prozesse, mit dem das Produkt hergestellt und getestet wurde.

Das Bedeutet, ein Produkt ist auch in seiner Qualität als beeinträchtigt anzusehen, wenn es die Spezifikation erfüllt, aber der Prozess beeinträchtigt war. Dies wird häufig nicht angemessen beachtet und bewertet.

Status Quo von GMP:

Bei meiner Tätigkeit als Berater und Auditor für die Pharmaindustrie sehe ich immer wieder Beispiele, die zeigen, dass die Qualität immer noch sehr stark Compliance-fokussiert ist, und überwiegend von der Prüfung des Produkts und der zugehörigen Dokumentation abhängt.

Die Herstellung von Arzneimitteln heutzutage erfordert ein hohes Maß an interner Aufsicht durch die Qualitätseinheit und an externer Aufsicht durch die Behörden.

Die Hauptgründende dafür sind

  • Die vorhandene Variabilität des Herstellprozesses
  • die fehlende Fähigkeit korrigierende Maßnahmen zu ergreifen bevor eine Variation in Erscheinung tritt
  • das Fehlen von kontinuierlicher Verbesserung
  • die Komplexität bei bestimmten Prozessen, wie z.B. Change Control
  • das Fehlen einer konstruktiven Fehlerkultur

Die Qualität durch das Design der Prozesse wird viel zu wenig einbezogen. Damit verschenken viele Firmen ein enormes Verbesserungspotential.

cGMP ist ein Prozess und kein Zustand

Das Verständnis, dass cGMP nicht das einmalige Erreichen eines bestimmten Compliance-Niveaus ist, ist der erste und schwierigste Schritt zu einer zukunftsfähigen Qualitätskultur.

Der zweite und leichtere Schritt besteht in der systematischen Optimierung der qualitätsrelevanten und wertschöpfenden Prozesse. Dazu gehört auch das Eliminieren von ineffizienten Prozessen oder Prozessschritten.

Dann können auch durch Automatisierung und Digitalisierung robuste Prozesse geschaffen und zukünftig bei Bedarf weiter optimiert werden.

Hier passt das Zitat von Konfuzius sehr gut: Der Weg ist das Ziel.