Auf das Thema Risiko-Management bin ich schon in einem früheren Blog-Post eingegangen (Risikomanagement)
Risikomanagement und risikobasierte Maßnahmen werden sowohl in der ICH Q9 Leitlinie für Arzneimittel als auch in der EU Medizinprodukteverordnung (MDR) gefordert.
Definitionen von Risiko
Als Risiko wird jeweils definiert:
- ICH Q9: Risiko ist definiert als die Kombination aus der Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Schadens und der Schwere dieses Schadens („It is commonly understood that risk is defined as the combination of the probability of occurrence of harm and the severity of that harm.”)
- MDR: „Risiko“ bezeichnet die Kombination von Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts und Schwere des Schadens
Beide Definitionen sind praktisch gleich. In beiden Dokumenten werden die Schwere des Schadens und die Eintrittswahrscheinlichkeit des Schadens betrachtet. Die Entdeckungswahrscheinlichkeit eines Schadens spielt hier zunächst keine Rolle.
Risiko-Identifizierung und Risiko-Priorisierung
Zur Identifizierung von Risiken sollen folgende Fragen gestellt und beantwortet werden (ICHQ9):
- Was kann falsch laufen?
- Was ist die Wahrscheinlichkeit, dass es falsch läuft?
- Was sind die Konsequenzen, wenn es falsch läuft (Schwere des Schadens)?
Zur systematischen Identifizierung und Priorisierung von Risiken stehen verschiedene Werkzeuge zur Verfügung, auf die ich hier aber nicht im Detail eingehen möchte.
Bei der Priorisierung von Risiken zur Minimierung wird z.B. bei der FMEA das Produkt aus Schwere und Auftrittswahrscheinlichkeit ermittelt (Risiko-Prioritätszahl, siehe Blog-Post zur Risiko-Bewertung ). Hier ist zu beachten, dass zwei Risiken zwar rechnerisch die gleiche Risiko-Prioritätszahl aufweisen können, aber die Schwere jeweils unterschiedlich ist. In diesem Fall soll das Risiko mit der größeren Schwere bevorzugt minimiert werden.
Risiko-Kontrolle und Risiko-Minimierung
Grundsätzlich kann nur die Eintrittswahrscheinlichkeit des Schadens beeinflusst werden, nicht jedoch die Schwere eines möglichen Schadens.
Daher muss die Eintrittswahrscheinlichkeit durch geeignete Maßnahmen minimiert werden:
- Auswahl von Materialien
- Produktdesign
- Herstellprozess inklusive Kontrollen
- …
Im Zusammenhang mit Risiko-Kontrolle können auch noch Maßnahmen zur Erhöhung der Entdeckungswahrscheinlichkeit eines Risikos herangezogen werden (ICH Q9). Der Fokus sollte jedoch auf der Verringerung der Auftrittswahrscheinlichkeit liegen (Produkt- und Prozess-Design) und nicht auf der Auslese von risikobehafteten oder defekten Produkten.
Akzeptables Restrisiko
Was ist nun ein akzeptables Restrisiko? Die Dokumente sind hier nicht sehr präzise:
ICH Q9: Risiken sollen auf ein akzeptables Maß reduziert werden. („The purpose of risk control is to reduce the risk to an acceptable level. The amount of effort used for risk control should be proportional to the significance of the risk.“).
Allerdings macht die Guideline hier keine Angaben, was akzeptabel ist. Es soll ein akzeptables Risiko-Niveau definiert werden und eine angemessene Balance zwischen Vorteilen, Risiken und Aufwand zur Reduzierung von Risiken gefunden werden.
MDR: „…, wobei etwaige Risiken im Zusammenhang mit ihrer Anwendung gemessen am Nutzen für den Patienten vertretbar und mit einem hohen Maß an Gesundheitsschutz und Sicherheit vereinbar sein müssen; hierbei ist der allgemein anerkannte Stand der Technik zugrunde zu legen.“
Weiter wird gefordert: „Die Risiken sollen durch sichere Auslegung und Herstellung beseitigt oder so weit wie möglich minimiert werden.“
Zur Risiko-Senkung soll das Risiko-Management der Hersteller darauf abzielen, dass sowohl das mit jeder einzelnen Gefährdung verbundene Restrisiko als auch das Gesamtrestrisiko als akzeptabel eingestuft werden.
Fazit
Letztlich ist eine Nutzen-Risiko-Abwägung möglich und notwendig. Die „Nutzen-Risiko-Abwägung“ bezeichnet die Analyse aller Bewertungen des Nutzens und der Risiken, die für die bestimmungsgemäße Verwendung eines Produkts entsprechend der vom Hersteller angegebenen Zweckbestimmung von möglicher Relevanz sind.
Auf jeden Fall ist darauf zu achten, dass durch Maßnahmen zur Minimierung oder Beseitigung eines Risikos an anderer Stelle keine neuen Risiken erzeugt werden.