Know-How Transfer – der Mensch ist der Schlüssel, nicht die Technik

Vor einiger Zeit habe ich einen Kunden bei der Lösung eines Problems unterstützt. Eine gravierende Abweichung war nach einer Prozessänderung aufgetreten. Die Ursache war unklar und ließ sich nicht eingrenzen. Zufällig hatte ich den Kunden vor ein paar Jahren bei einer ähnlichen Problematik unterstützt. Ich konnte mich noch an bestimmte Details erinnern, die damals eine Rolle spielten. Mit Hilfe dieser Details wurde die Ursache dann eingegrenzt und behoben. In der Organisation des Kunden war dieses Wissen verloren gegangen, obwohl einige der damals Beteiligten immer noch in dem Unternehmen arbeiteten.

Das Thema Aufrechterhalten und Transfer von Wissen innerhalb einer Organisation („räumlich“ und zeitlich) hat an Bedeutung gewonnen, da

  • aufgrund der demografischen Entwicklung eine große Anzahl an erfahrenen Mitarbeitern in naher Zukunft aus den Unternehmen ausscheiden wird
  • die Bereitschaft von Mitarbeitern den Unternehmensbereich zu wechseln gestiegen ist
  • die Bereitschaft von Mitarbeitern das Unternehmen zu wechseln gestiegen ist

Aktuell wird das Thema Wissens-Erhalt oder -Transfer meist auf technische Aspekte fokussiert.

Im Zeitalter der Digitalisierung können große Datenmengen

  • erzeugt
  • gespeichert
  • verarbeitet

werden. Allerdings betrifft das vor allem aktuell und zukünftig erhobene Daten. Die umfassende Digitalisierung von alten, analogen Daten bedeutet einen erheblichen Aufwand.

Was bei all der Begeisterung für Big Data und Data Mining gerne vergessen wird: Daten allein, sind noch kein Wissen. Das kommt erst dadurch zustande, dass die Daten in einen sinnvollen Zusammenhang gebracht werden (s.a. Blog künstliche Intelligenz ).

Wie aber können wir den großen Wissensschatz, der bereits in den Menschen steckt, heben und für die Zukunft nutzbar machen?

Fehler offen Kommunizieren

Für eine Organisation ist es entscheidend, dass nicht nur Erfolge sondern auch Misserfolge und Fehler kommuniziert werden. Nur dann kann aus ihnen gelernt werden und können Fehler und Probleme in Zukunft vermieden werden.

Dazu ist es natürlich notwendig, dass Fehler und Misserfolge angstfrei kommuniziert werden können und derjenige der einen Fehler gemacht hat und/oder kommuniziert, keine Nachteile zu befürchten hat. Leider hat sich diese Erkenntnis in vielen Unternehmen noch nicht in der Praxis durchgesetzt.

Fehler umfassend betrachten

Ein weiterer Faktor für effizienten Wissens-Transfer ist, dass nicht nur die unmittelbar Betroffenen, sondern auch andere Bereiche informiert werden. Bereiche, die scheinbar nicht oder nur mittelbar von einem Fehler oder Problem betroffen sind. Also z.B. nicht nur die Angestellten in Produktlinie A sondern auch die in B und C. Das kann verhindern, dass das gleiche oder ein ähnliches Problem in einem anderen Bereich ebenfalls auftritt.

Mentoring institutionalisieren

Wissen ist Macht – wer kennt diesen Spruch nicht? Das ist auch ein Grund, warum erfahrene Mitarbeiter verständlicherweise nicht begeistert sind, wenn sie Ihren jahrelang und mühsam erworbenen Wissensschatz einfach so an jüngere Angestellte weitergeben sollen. Schließlich könnten die Jüngeren ihnen ja die Position streitig machen.

Dabei ist gerade der institutionalisierte Einsatz von (dienst)älteren Mitarbeiter als Mentoren ein entscheidender Faktor für erfolgreichen Wissenstransfer. Aus eigener Erfahrung weiß ich zudem, dass das Weitergeben von Wissen auch persönlich sehr befriedigend sein kann.

Foren für Erfahrungsaustausch schaffen

Hilfreich für einen guten Erfahrungsaustausch können z.B.

  • moderierte kommunikations-fördernde Meeting-Formen (z.B. Open Space)
  • moderierte konfliktlösende Meeting-Formen (z.B. Dynamic Facilitation)
  • regelmäßige informelle Treffen

sein. Gerade der letzte Punkt wird häufig unterschätzt. Dabei weiß jeder aus eigener Erfahrung, dass man viele interessante und relevante Informationen (damit meine ich jetzt nicht persönlichen Klatsch und Tratsch) an der Kaffeemaschine, in der Raucherecke oder der Kantine erfährt.

Natürlich können als Forum auch die oben erwähnten technischen Möglichkeiten wie Intranet-Foren, Q&A-Foren oder ähnliches eingesetzt werden.

Allerdings zeigt die Erfahrung, dass diese

  • nur von einem geringen Teil der Mitarbeiter genutzt werden, gerade wenn es darum geht, aktiv Wissen bereitzustellen
  • konsequent moderiert werden müssen, weil die Plattformen sonst schnell in eine Tratsch-Plattform abrutschen, in der die eigentlichen Informationen untergehen und Katzenvideos u.ä. ausgetauscht werden.

Erfahrung dokumentieren

Letztendlich ist entscheidend, dass das auch Wissen dokumentiert und in geeigneter Form verfügbar gemacht wird. Das sollte ja im GxP-Bereich grundsätzlich keine Neuigkeit sein.

Dazu müssen nicht immer Formulare genutzt werden oder formelle Protokolle geschrieben werden.

  • Bearbeitete Flipcharts oder Metaplanwände können einfach in Form von Fotos dokumentiert werden
  • Moderne Whiteboards können erarbeitete Zeichnungen und Notizen elektronisch (PDF) oder in Papierform ausdrucken
  • Gemeinsam erstellte Mindmaps auf Präsentationsbildschirmen können als PDFs gespeichert werden

Diese Dokumentation kann dann mit zwei oder drei aussagekräftigen Schlagworten z.B. strukturiert auf einen SharePoint oder in einer Datenbank abgelegt werden.

Fazit

Für einen erfolgreichen Knowhow-Transfer

  • müssen auch Misserfolge und Fehler angstfrei kommuniziert und dokumentiert werden können.
  • sollten für eine erfolgreiche menschliche Kommunikation Bedingungen und Foren geschaffen und regelmäßig genutzt werden.
  • sollen die vielfachen technischen Möglichkeiten genutzt werden um gerade das vorhandene menschliche Wissen zu dokumentieren und nutzbar zu machen.