Im Alltag kommt es immer wieder zu Abweichungen und Fehlern, davor ist kein Unternehmen sicher. Entscheidend ist dann, die Ursache zu finden und zu beseitigen, damit die Abweichung bzw. der Fehler nicht wieder vorkommt.
Leider wird bei der Ursachenuntersuchung häufig nicht nach der Ursache, sondern nach dem Verursacher, also dem Schuldigen gesucht. Dies geschieht bewusst oder unbewusst. Es muss ja wohl jemand verantwortlich sein. Da bietet sich dann meist der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin an, bei dem oder der die Abweichung aufgetreten ist.
Dieser Ansatz ist ein prägender Teil der Kultur in vielen Unternehmen und ist den meisten auch bewusst. Daher wird bei Befragungen im Zusammenhang mit Abweichungen häufig nicht offen kommuniziert. Viele direkt oder indirekt Beteiligte halten sich bedeckt, um nur ja keinen Angriffspunkt zu bieten und am Ende als der Schuldige dazustehen. Dies erschwert natürlich die Identifizierung von Ursachen.
Meine Erfahrung mit korrekt durchgeführten Ursachenuntersuchungen zeigt, dass es in praktisch allen Fällen nicht nur eine Ursache gibt, sondern die Abweichungen Resultat der Verkettung mehrerer Umstände und Schwachpunkte sind. Es hilft nichts, nur eines dieser Kettenglieder herauszugreifen und einen Verantwortlichen dafür zu bestimmen. Es muss immer die ganze Kette betrachtet werden. Diese Ursachenkette zeigt die Schwächen in einem Prozess oder System.
Dazu fällt mir ein Zitat von Thich Nhat Hanh ein, einem vietnamesischen buddhistischen Mönch, Schriftsteller und Lyriker: „Unser Gehirn ist ein Schwert, das die Wirklichkeit in Stücke haut, und dann handeln wir so, als wäre jedes Stück der Wirklichkeit unabhängig von den anderen“.
Es gilt also, alle Ursachen-Kettenglieder einer Abweichung zu betrachten und geeignete Maßnahmen zur zukünftigen Vermeidung zu ergreifen.
Wie kann es ein Unternehmen schaffen, weg von der Schuldsuche hin zur wirklichen Ursachensuche zu kommen. Dazu müssen zunächst die Führungskräfte der obersten Ebene klar Position beziehen. Mitarbeiter aller Ebenen müssen offen und angstfrei Schwächen in Systemen und Prozessen kommunizieren können. Die jeweiligen Führungskräfte müssen dies auch einfordern. Die Personen, die Schwächen in Systemen und Prozessen aufdecken, dürfen nicht als Nörgler oder Nestbeschmutzer abgestempelt werden, sondern sie müssen öffentlich besonders gelobt werden.
Natürlich müssen die notwendigen Konsequenzen (CAPA, Changes) dann auch gezogen werden, so dass alle im Unternehmen erkennen, dass ein wirklicher Wille zur Verbesserung besteht und das Ziel der kontinuierlichen Verbesserung nicht nur eine Worthülse ist, sondern im Alltag gelebt wird. Auf Dauer wird das Unternehmen dadurch signifikant die Qualität von Prozessen und ihren Produkten verbessern und Kosten sparen.