Agile Führung – ein Mythos

In letzter Zeit kommt man an den Themen agiles Projektmanagement, agile Organisationen und natürlich agile Führung nicht vorbei. Alles, was nicht irgendwie agil ist, hat angeblich keine Zukunft und wird über kurz oder lang vom Markt verschwinden. Dabei merkt man bei genauem Hinsehen, dass den wenigsten klar ist, was Agiles Vorgehen bedeutet. Da wird viel vermischt und Ansätze und Werkzeuge werden aus dem Agilen Manifest und Werkzeugkasten willkürlich herausgerissen.

Ich will hier nicht das Thema Agil bzw. den Agilen Ansatz erklären. Natürlich hat der seine Berechtigung und ist für bestimmte Dinge klar von Vorteil. Es ist aber kein Allheilmittel. Wenn Sie ein Haus bauen oder umbauen wollen, brauchen Sie auch verschiedene Werkzeuge, je nach Bauphase. Kein Werkzeug taugt aber für alle Zwecke. Also fokussieren wir uns nicht auf das Thema agile Führung als DAS Führungsinstrument, was auch immer jeweils darunter verstanden wird.

Mir ist an dieser Stelle wichtig, drei aus meiner Sicht entscheidende Punkte im Zusammenhang mit Führung aufzuzeigen.

Führung braucht Ziele

Wenn Sie eine Organisation führen wollen, brauchen Sie ein Ziel. Dieses Ziel muss von den Führungskräften verstanden, kommuniziert und erklärt werden.

Wenn Sie Ihre Organisation flexibler machen wollen, dann soll die Führung entsprechend z.B.

  • Coachend führen
  • Flexibilität unterstützen
  • Mitarbeitern entsprechend Freiräume lassen
  • zulassen, dass Fehler gemacht werden dürfen
  • offene Kommunikation und Erfahrungsaustausch unabhängig von hierarchischen Rahmenbedingungen ermöglichen und fördern

Wenn Sie Ihre Organisation auf neue Geschäftsfelder ausrichten wollen, dann sollte die Führung entsprechend z.B.

  • die notwendigen (geänderten) Anforderungen an Prozesse und Systeme kommunizieren
  • die neuen Aufgaben kommunizieren
  • die Mitarbeiter dafür notwendige Teilziele und Vorgehensweisen eigenständig erarbeiten lassen

Wenn Ihre Organisation allerdings aus einer Krisensituation herausgeführt werden muss, dann sind zunächst klare Ansagen und Vorgaben gefordert. Die Führungskraft sollte entsprechend handeln, Spielraum für das Lernen aus Fehlern ist dann nicht gegeben.

Dies sind nur drei Beispiele aus einer Vielzahl von möglichen und/oder notwendigen Zielen für Führung. Auf jeden Fall soll die Führung das, was sie sagt und fordert, jeweils auch selber vorleben.

Die aktuelle Ausgangssituation und das gewünschte Ziel setzen den Rahmen dafür, welche Führungsstile, Methoden und Werkzeuge sinnvoll eingesetzt werden können. Es gibt keinen universellen Führungsstil (s.a. Goleman et al., Emotionale Führung, Ullstein Taschenbuch, 2003), Es gibt auch kein universelles Führungsinstrument „Agile Führung“, allenfalls Führungsstile und -Werkzeuge, die Lebendigkeit und Agilität unterstützen.

Führung braucht Werte

Jede Organisation muss dauerhaft profitabel sein oder zumindest ohne Verluste arbeiten. Wie das erreicht wird, sollte aber von Werten geleitet sein. Dazu gehört u.a., dass die Führungskräfte

  • die Mitarbeiter nicht als Humankapital betrachten, das bis zum letzten Blutstropfen ausgequetscht wird
  • die Mitarbeiter nicht als Untergebene betrachten
  • mit den Mitarbeitern ehrlich kommunizieren
  • den Mitarbeitern ehrliches und konstruktives Feedback geben
  • den Mitarbeitern Entwicklungsmöglichkeiten geben
  • den Mitarbeitern die Möglichkeit zur aktiven Beteiligung geben

Führung ist emotionale Arbeit

Führung bedeutet nicht, gerade angesagte Werkzeuge blind einzusetzen. Wie für jede andere Arbeit auch, brauchen Sie für erfolgreiche Führung bestimmte Fähigkeiten und Kompetenzen:

  • allgemeine soziale Kompetenzen, also z.B. die Fähigkeit sich auf andere einzustellen und einzulassen, die Fähigkeit zur Selbstreflexion, Empathie, …
  • Führungskompetenzen (Stile, Werkzeuge)
  • Fachliche Kompetenzen

Diese Fähigkeiten können und sollen erworben werden, wenn Sie nicht ausgeprägt genug sind (s.a. Scheitler & Wetzel; Werte, Worte, Taten; Haupt Verlag, 2007).

Schulz von Thun hat einmal gesagt: „Menschen die miteinander schaffen, machen einander zu schaffen“. Die Führungskraft muss also in der Lage sein, entsprechend der Situation und den vorhandenen Mitarbeitern und deren Möglichkeiten die Werkzeuge und Führungsstile zu wählen und individuell anzupassen. Das erfordert Aufmerksamkeit, Offenheit und Einfühlungsvermögen von der Führungskraft.

Führung ist vor allem eine emotionale Arbeitsaufgabe. Das kann anstrengend sein. Das ist im Erfolgsfall aber auch sehr befriedigend.

Fazit

Der Fokus bei Führung sollte auf den Zielen und Werten liegen. Die Führungskraft muss bereit und in der Lage sein, die notwendige emotionale Arbeit zu leisten und sich nicht einfach nur auf einen bestimmten hierarchischen Status zurückziehen.

Meine Empfehlung, lesen Sie möglichst viele Bücher von erfolgreichen Führungskräften. Nicht um deren Methode fortan als IHR Werkzeug zu benutzen, sondern um zu verstehen, welche Vorgehensweisen und Führungsstile in einer bestimmten Situation zielführend, also erfolgreich waren. Dann können Sie einen ganzen Werkzeugkasten aufbauen und nach Bedarf einsetzen.

Und mein Lektüre-Geheimtipp für Führungskräfte: Matthias zur Bonsen; Leading with Life, Lebendigkeit in Unternehmen freisetzen und nutzen; Gabler Verlag, 2010.